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KURZGESCHICHTE: Jenseits der Liebe

Textumfang:  30 129 Zeichen

~ 21 DIN A4-Normseiten à 1 500 Zeichen

   

Autorin und Urheberrecht: Simone Heil

Jenseits der Liebe

24. bis 31. Dezember 2012

 

    Die 29-jährige Nina ist perplex. Sie ist an der Uni eingeschrieben im achten Semester Geisteswissenschaften 'Ach, ist nicht so wichtig'. Sie wollte und will nicht die Werke von anderen interpretieren. Sie will selber welche schaffen. Mit 25 Jahren fing sie nach mehrjähriger Unterbrechung wieder an zu malen. Sie ist mit dem Kunsthandwerker Stefan zusammen. Aus der Disko-Begegnung wurde eine bisher dreijährige Bindung. Nach vier Semestern Grundstudium war sie nicht in der Lage, sich zur Zwischenprüfung anzumelden. Zu wenig Scheine gemacht. Bafög-Streichung. Seit dem funktioniert sie immer öfter als Aushilfssekretärin. Jobs per Losnummer verteilt von der studentischen Arbeitsvermittlung. Keine ihr Angst machenden Vorstellungsgespräche. Manchmal geht sie mehrmals ins selbe Büro. Eine feste Stelle, gar mit Vertrag, hat sie dennoch nicht. Sie hangelt sich von Zeitvertrag zu Zeitvertrag.

    Nina sitzt am Küchentisch in ihrer kleinen Zweizimmerwohnung und schlägt die Hände vors Gesicht. Sie würgt die aufsteigenden Tränen hinunter. 'Ich muss mir was einfallen lassen. Ich kann die Miete meiner Wohnung immer schwerer aufbringen, seitdem mein Bafög-Satz gestrichen wurde.' Sie gibt eine Anzeige im städtischen Kulturmagazin auf: Mitbewohnerin gesucht. Die Nachfrage ist groß. Ungewohnt ist die Rolle als Entscheidungsträgerin. Montag Abend ruft ein Mann an, obwohl sie eine Mitbewohnerin sucht. Nina will ihn zunächst abwimmeln, doch sie findet seine Stimme angenehm. Sie schlägt ihm ein Gespräch zu dritt vor, zusammen mit einer anderen Zimmerbewerberin. Die Frau ist bereits seit einer halben Stunde da, als es klingelt. Nina öffnet die Tür. Vor ihr steht ein auffallend bleicher, beinahe schwarzhaariger Mann. Seine Haare sind leicht gewellt, seine schummerig braunen Augen funkeln irgendwie gelblich. Seine schlanke Erscheinung ist von einnehmender Eleganz. Ihre eigene Kleidung tendiert zur Ärmlichkeit, während die seine von eigentümlichem Schick ist. Etwas zu viel schwarz in seiner Erscheinung für ihren Geschmack. Sein schüchternes Lächeln ist einnehmend. Nina fühlt sich direkt farblos neben ihm, was angesichts seiner dunklen Blässe eherlächerlich ist, wie sie sich selbst sogleich Mut macht. Sie bittet ihn herein. Jetzt gibt’s kein Zurück mehr. Sie muss sich dem Gespräch stellen. 'Er wird hier nicht einziehen.' Er ist 28 und studiert Biologie, angeblich. Nina ist sich da nicht sicher. Er scheint orientierungslos wie sie, doch seine Eltern finanzieren sein Studium. Er heißt Ted.

    Die Zimmermitbewerberin verabschiedet sich schnell angesichts des smarten Konkurrenten. Nina weiß nicht, was sie von Ted halten soll. Sympathisch ja, sie scheinen auch in einem ähnlichen Gedankenmeer zu schwimmen. Nina hat das Gefühl, etwas ihr Leben Entscheidendes bahnt sich an. Ted unterstreicht die Dringlichkeit seiner Zimmersuche, die Nina nicht ganz nachvollziehen kann. Ted will nicht mit mehreren in einem Studentenwohnheim wohnen, er will jedoch auch nicht alleine wohnen. Er will nicht Hauptmieter sein. Alle Männer, bei denen er sich vorstellte, haben nein gesagt und Nina soll doch bitte ja sagen. Nina zögert. Ted schlägt vor, ihr einen Scheck über 2000 Euro als Mietsicherheit sofort auszustellen, wenn sie ihm gleich eine Zusage macht. Er will auch die Hälfte der Miete übernehmen, obwohl das von Nina zu vermietende Zimmer erheblich kleiner ist als das ihre. 2000 Euro Mietsicherheit sind verlockend, verführen jedoch bei ihrer Budgetknappheit auch zum Ausgeben. Sie ist nicht ganz von seiner Redlichkeit überzeugt. Sie hat permanent den Eindruck, dass er lügt und entscheidende Dinge verschweigt. Schließlich gibt sie nach. Wenn auch nicht ganz von seiner Redlichkeit, ist sie jedoch überzeugt von seiner Liebenswürdigkeit und dass er dringend ein Zimmer braucht. Sie wird mit einem vom Herzen kommenden Lächeln bedacht,dass sie aus dem Konzept bringt, falls sie eins hatte. Sobald das Geld auf ihrem Konto ist, will sie ihn anrufen. Sie hat einen Mitbewohner. Sie nimmt nicht an, dass er ihrem Freund Stefan gefallen wird.

    Fünf Tage später ruft sie Ted an, der noch am selben Tag allein seine Sachen mit einem Leihauto bringt. Ein Lattenrost mit Matratze, ein Tisch mit Stuhl, eine kleine Kommode, eine Kleiderstange, ein Umzugskarton mit Papierkram, zwei Umzugskartons mit Anziehsachen, ein Supermarken-Notebook. Ein lilaner Vorhang umhüllt das Fenster seines Zimmers noch am selben Abend. Nina und Ted nippen beide verlegen am Sekt. Dennoch ist die Stimmung überraschend gelöst. Mist, Nina hat verschlafen, daher heute keine Arbeitssuche bei der studentischen Arbeitsvermittlung. Dort ist frühes Erscheinen angesagt, um eine niedrige Losnummer zu erhalten. Entgeistert schaut sie auf ihr Handy, kein Wecker gestellt. Auf dem Küchentisch liegt ein Zettel von Ted. 'Bin für einige Tage arbeitsmäßig in einer anderen Stadt, rufe Dich morgen abend an.' So wird es in den nächsten Monaten nur gehen. Ihr Mitbewohner ist ständig unterwegs, kommt bloß für ein bis zwei Nächte und verschwindet wieder. Wenn sie sich sehen, verstehen sie sich ohne Worte. Alles ist selbstverständlich, keine Scheu voreinander. Nina beginnt zu bedauern, dass er so selten da ist. Doch sie scheint nicht alleine mit ihrem Bedauern. Viele Frauen rufen an und fragen nach Ted. Immer andere, nie die Gleichen. ... ... ...

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