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KURZGESCHICHTE: Die Statue

Textumfang:  9 937 Zeichen

~ 7 DIN A4-Normseiten à 1 500 Zeichen

 

Autorin und Urheberrecht: Simone Heil

Die Statue

14. Dezember 2012

 

    Bäume schwanken im Wind. Wolken ziehen sich zusammen und wieder auseinander. Zerstreut blickt der 27-jährige Assistenzarzt Sylvain Negel aus dem Fenster des Pausenraums. Wolken und Ideen ziehen wie miteinander verwoben zusammenhangslos durch seine Gedanken. Ich sollte noch mal rausgehen. Gedacht, getan. So stürmisch hatte er es nicht erwartet. Er ging weiter als beabsichtigt, bog in einen hinter dem Krankenhaus liegenden, von Bäumen und Büschen umsäumten Feldweg ein, der zu einem nahe gelegenen Waldstück führte. Er wollte eben umkehren, als er zwischen Sträuchern eine hockende Gestalt bemerkte. Er blickte in das schönste, schmerzvollste Gesicht, das er bisher gesehen hatte. So viel Schönheit bei so viel Schmerzausdruck, wie ungewöhnlich.

    Entgeistert starrte Sylvian in dieses Gesicht. Er glaubte, sich zu verlieben, obwohl er bereits verlobt war. Aber das ist doch eine Statue, fuhr es ihm heraus. Er strich fassungslos über den gekrümmten Rücken. Welch ein Künstler konnte so ein Werk vollbringen? Gerade noch hatte er dieses Standbild für einen Menschen gehalten. Jedoch welches Geschlecht hatte dieser Mensch? Ich muss diese Statue zu mir nach Hause bringen, ich muss es schaffen, ich muss sie zuerst alleine betrachten, bevor ich sie anderen zeige. Doch wie? Die Figur war nicht aus Stein sondern aus wie Marmor aussehendem Gips. Wie sonderbar, dachte Sylvian, lange kann sie noch nicht hier sitzen. Gips, er war erleichtert, er konnte die Statue, wenn auch mit Mühe, alleine bewegen.

    Hastig stolperte Sylvian ins Krankenhaus und kehrte mit einer Decke zurück. Behutsam breitete er sie über Angelina, so nannte er die Statue. Zögernd bedeckte er ihr Gesicht. Er wollte ihr nicht den Atem nehmen. Er hatte entschieden, dass das androgyne Antlitz, von dem er den Blick nicht abwenden konnte, einer Frau gehörte. Der Körper war in ein faltenreiches, zeitloses Gewand gehüllt, das Sylvain keiner Epoche zuordnen konnte. Arme und Hände waren feingliedrig, die nackten Füße waren kindlich plump. Er betrachtete noch einmal das von Schmerz und Erstaunen erfüllte Gesicht. Wie sonderbar. Er wandte sich brüsk ab. Jetzt nur nicht die Beherrschung verlieren, Patienten untersuchen, bloß nicht routiniert handeln, nie die Einzigartigkeit des Menschen vergessen. Im Krankenhaus war er fürsorglich, geduldig, helfend, aufnahmefähig und alle, selbst er, waren zufrieden.

    Nach der Arbeit ging er noch einmal in den Wald. Wo soll ich Angelina nur hinbringen? Ich muss etwas ganz Absurdes tun, sagte er sich. Ich muss sie auf den Dachboden zu meinen Eltern bringen. Am besten, ich ziehe wieder nach Hause. Sanft, fast zaudernd löste er die Decke von der Statue. Rasch trat er mehrere Schritte zurück. Ja, dies ist eine Statue von ungewöhnlicher Schönheit, aber eben doch nur eine Statue. Was hast Du vorhin nur gesehen? Was siehst Du jetzt? Ich sehe ein Abbild, dass ich liebe. Ich liebe, ich bin in ein Spiegelung verliebt. Doch meine Gefühle sind wahr.

    Er entschied, seine Entdeckung zunächst für sich zu behalten. Noch am selben Abend trug er mit seinem Nachbarn ein sperriges, in Decken gehülltes Paket in seine Wohnung. Er war in Hochstimmung, wie es Verliebte eben sind und beschloss, dieses seltsame Stimmungshoch zu genießen. Er war überzeugt, dass es morgen vorbei ist. Er belegte sich die Brotscheiben betont sorgfältig und setzte sich Angelina gegenüber. Die Statue schien seine Gefühle zu erwidern. Es sah aus, als wollte sie etwas sagen, in Aktion treten. Sylvain fühlte sich wohl in ihrer Gegenwart. Sie beruhigt und beflügelte ihn. Bedrückt dachte er an seine irdische Liebe. Schon zu Beginn ihres Studiums hatte Lisa Sylvain bemerkt und ihn über gemeinsame Freunde kennengelernt. ... ... ...

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