HOME              Simone Heil

www.artshange.fr

mail@artshange.fr

ROMANE: deutsch

ROMANS: français

NOVELS: English

ROMAN: Die Mansardenkünstlerin

Textumfang: 356 845 Zeichen

~ 238 DIN A4-Normseiten à 1 500 Zeichen

 

Autorin und Urheberrecht: Simone Heil

Die Mansardenkünstlerin

02.01 2013 - 28.04 2013

 

Kapitel 1    Propheten

    Sie packte ihre unscheinbare Bildermappe ein und begab sich in die staatliche Kunstakademie zur öffentlichen Mappenberatung, durchgeführt von zwei einst wilden Malern und jetzt wild malenden Professoren. Dichtes Gedränge, die beiden Professoren zwei anerkannte Fixsterne am zeitgenössischen Maler-Kunsthimmel. Für Violetta entsprechen die beiden lebhaften, nachlässig elegant gekleideten Maler dem seit Jahrhunderten, scheinbar ewig geltenden Prototyp des männlichen Malers, dem modernen Klassiker. Der von Violetta als moderner Klassiker bezeichnete Maler ist ein exaltierter, energisch seine Ideen lebender, zupackender und ausgesprochen sinnenfreudiger Mann. Er malt mit Vorliebe seine nackten Geliebten und Sinnlichkeit platzt aus seinen Poren wie die Farbe aus seinen Tuben. Er ist der Schöpfer, Frauen sind seine Geschöpfe. Nebenbei kann er ausgesprochen liebenswürdig sein, wenn seine Überspanntheit dies zulässt und charmant ist er sowieso.

    Dieser Malertyp dominiert seine Umgebung. Er zwingt allen seinen Willen mit seiner Exaltiertheit auf. Er unterwirft, wenn er entwirft. Die leidenschaftliche Intimität seiner Bildproduktion ist anziehend, die Frauen liegen bereitwillig auf seinen Lagern. Auch Violetta würde sich sofort einem charismatischen Maler jeden Alters zur Verfügung stellen, als Modell selbstverständlich. Doch sie ist ja selber angehende Malerin. Künstlerin, sagt sie vorsichtshalber ausweichend. Violetta stellt sich die Frage: Gibt es auch eine moderne Klassikerin, einen weiblichen Maler-Prototyp? Die moderne Klassikerin, den Malerin-Prototyp kann sie nicht finden. Sie entdeckt in der Vergangenheit und Gegenwart Ausnahme-Frauen, keine definierte Prototypin. Einzelschicksale, keine Gruppenidentifizierung wie bei den männlichen Malern. Sie sucht unter den Schriftstellerinnen. Die Künstlerin als Hysterikerin? Hysterisch ist Violetta durchaus, aber sie möchte ihre vermeintliche Hysterie eher loswerden als ausbauen. Überreizung steht ihrer Sinnlichkeit im Wege, und die will und kann Violetta voll ausleben und genießen. Expressive Erregt- und Überspanntheit stellen ihr labiles Gleichgewicht in Frage, sind aber dennoch die Grundlage ihrer augenblicklichen Kunsttätigkeit.

    Oh, Ah, das sind die Bilder einer jungen Frau, die malt, was sie bewegt. Das ist echt, das ist, was wir suchen, was wir brauchen in der Kunst. Und weiter geht's mit aufmunternden Worten. Alle Anwesenden sind überrascht, nach der bisher harten, nun die ganz softe Tour. Die beiden leicht angeheiterten Männer haben sanfte, fast zärtliche Worte für die auf Papier gemalten Bilder von Violetta. Nur, wo sind die Zeichnungen? Ohne Zeichnungen könnte es knapp werden bei der Aufnahme-Kommission. Violetta packt hektisch ihre Bilder weg. Sie ist sich sicher, angenommen zu werden. Einziger Zweifel, sie hat keine ihren Ansprüchen genügenden, eigentlich kaum Zeichnungen, außer zweien, die wird sie ihren gemalten Bildern beilegen. Werden ihre Bilder ausreichen, um die Kommission der Kunstakademie zu überzeugen? Sie werden und sie werden dennoch nicht.

Kapitel 2     Unter Ihresgleichen

    Sie ist nur als Gaststudentin für den Studiengang 'Freie Kunst' an der Kunsthochschule angenommen, ein Probejahr, danach bei Bewährung, Übernahme als ordentliche Studentin. Der Krankenkasse reichte die Aufnahme als Gaststudentin aus, um sie im Studentenstatus zu versichern, dem Amt für staatliche Ausbildungsförderung jedoch nicht. Das bedeutet, kein staatliches Darlehen, um zu studieren. Wovon, von welchem Geld soll sie leben? Violetta schwankt zwischen Enttäuschung und Erleichterung. Jetzt wird ihr bewusst, hoppla, sie muss sich verschulden, um die Kunst zu lernen. Vier Jahre dauerte die offizielle Regelstudienzeit damals. Vier Jahre vom Staatskredit-Höchstsatz im eigenen Haushalt leben, da kommt ne stattliche Schuldensumme zusammen für eine junge, unentschlossene Künstlerin, deren Erwachsenenleben gerade anfängt bei schwächelnder Wirtschaft und hoher Arbeitslosigkeit. Ihr wird schwindelig.

    Ein Jahr ist bereits vergangen, seit sie 1984 ihr Abitur machte. Ein Jahr hat ihre Stiefmutter sie und ihre Stiefschwester Marion bereits finanziell unterstützt, ein sogenanntes Berufswunschfindungsjahr. Ihre leibliche Mutter und deren Lebensgefährte legten ebenfalls noch einige Scheine mit zwei Nullen drauf. Der Lebensgefährte, ein Jurist, gibt Violetta sogar mehr als ihre Mutter. Ihre Stiefschwester Marion trägt sich nach erfolgreicher Bewerbung ebenfalls an der Kunsthochschule im Fach 'Kunstpädagogik für die Grundschule' ein. 25 zu vergebende Plätze bei 30 Bewerbern, oder so ähnlich, wie Marion lakonisch mitteilte. Die Finanzierung von Marions aktuellem und künftigem Studiengang ist eh gesichert, da ihre Mutter zu den Besserverdienenden zählt und das Studium der Tochter aus eigens erwirtschafteten Mitteln finanziert. Das Einkommen von Violettas Mutter reicht nicht für irgendeine längerfristige finanzielle Unterstützung Violettas und ihr Vater hat kein eigenes Einkommen. So beginnt sie ohne finanzielle Absicherung ihr Gaststudium. Und sie muss sich beweisen, Beweise als Befähigungs-Nachweise bringen. 

    25 junge Kunstschaffende, ausgewählt unter  ungefähr 850 Bewerbern. Da scheint stolzes Kopfzurückwerfen bei Einigen durchaus angemessen. Die erste Woche beginnt schon heikel für Violetta. Alle Studenten breiten nacheinander die Bilder ihrer Bewerbungsmappe großflächig auf dem Atelierfußboden aus. Anerkennende Kommentare von allen Seiten. Während Violetta die Präsentation ihrer Bilder in allerletzter Minute im Laufe der öffentlichen Bilderbesprechung der beiden Professoren trotz wild schlagendem Herzen und zittriger Aufregung relativ leicht fiel angesichts der doch überwiegend wenig berührenden Bilder der anderen, ist sie jetzt richtig gehend gehemmt. Damals hatte sie sich vorgenommen, ihre Bilder zu zeigen, koste es, was es wolle. Doch nun ist sie unter ihres Gleichen. Und einige von diesen Gleichen zeigen Violetta umwerfende Bilder. Was für ein Ausdruck. Sie zögert und zögert, bis sie schließlich die Letzte ist, die ihre Bilder zeigen muss. Oh nein, sie hat es freiwillig nicht vorher geschafft, ihre Bilder zu präsentieren. Sie ist die letzte Bilder Zeigende.

    Jetzt breitet sie hastig ihre Bilder auf dem Fußboden aus. Doch was jetzt? Während bei all den anderen vorher, augenblicklich spontane Kommentare und Meinungen geäußert wurden, wenn auch oft herablassend, Schweigen, nichts als Schweigen. Niemand sagt auch nur ein Wort, kein Eindruck, nichts. Der Professor beendet die betretene Stille mit den Worten: Wenn niemand was zu sagen hat, kannst Du Deine Bilder wegräumen. Auch er fand keine Worte für ihre Bilder. Was für eine Schmach. Später wird sie sich anfreunden mit einer ähnlich wie sie verhuschten Kommilitonin. Doch im Gegensatz zu Violetta ist diese Kommilitonin zwar sehr unsicher, aber von einer bestechenden Zielstrebigkeit. Sie sprechen über vieles, aber nie über Violettas Bilder und ihre Kunstabsichten.  Einmal sagt die Kommilitonin: War das nicht schrecklich, als Du Deine Bilder gezeigt hast? Diese bedrückende Stille und dieses belastende Schweigen. Alle schienen froh, als Deine Bilder weg waren. Ich weiß auch nicht, warum ich nichts gesagt habe. Deine Bilder gefielen mir eigentlich, aber diese Stimmung. Soweit zu Violettas zweiter öffentlicher Bilderpräsentation, die für die nächsten Jahre ihre letzte gewesen sein sollte.

    Ihre Bilder hatten bei ihren Kommilitonen Schweigen, nichts als Schweigen ausgelöst, ein Schweigen der Beklemmung,  wie ihr schien, kein Schweigen der Verblüffung. Oder gar nur Gleichgültigkeit. Eines stand fest für Violetta, sie war zurückgewiesen worden von ihresgleichen. Bei den anderen hatten die Mitstudenten nicht mit spontanen, gar von Neid und Bewunderung geprägten Kommentaren gegeizt. Bei ihr nur Schweigen. Riefen ihre Bilder Unbehagen hervor? Ihre Bilder waren Gefühls- und Stimmungsfetzen, in kontrastreichen Farben nebeneinander gesetzt, herausgeschleudert oft in einem Zustand der Bedrängtheit. Rar waren bis dahin die von einer Idee getragenen Bilder. Doch davon gab es auch schon einige. Auch die wurden beschwiegen. Der Gedanke an ihre erste Bilderpräsentation trieb ihr noch Jahre später die Schamesröte ins Gesicht und rief akutes Unwohlsein hervor. Dafür wollte sie nicht malen. Ja, es war und ist war, sie malt in erster Linie für sich selbst. Doch sie wollte und will auch Gutes tun. Ihre Mitmenschen begeistern, motivieren, Gedanken und Welt verändern, keine Gefühls- und Gedankenstarre hervorrufen. Sie will die Menschen mit ihren Bildern bewegen oder zumindest beeindrucken. Was für eine Niederlage! Ihresgleichen hatte sie nicht anerkannt. Sie war nicht integriert in die lebhafte Kunstdiskussion. Sie war ausgeschlossen. Sie fühlte sich abgelehnt und ausgestoßen direkt vor dem Eingang. Sie wurde und ist vereinzelt, gerade, wo sie die Gruppe entdecken wollte. Bedarf es mehre, um einzigartig zu sein, um die Einzigartigkeit zu erhalten?

    Jede und jeder suchte sich einen Atelierplatz. Der Run auf die Ecken begann. Viele gaben sich betont gleichgültig. Man werde eh nicht in der Akademie malen. Erleichterung bei Violetta. Schon die Vorstellung, inmitten der wild gestikulierenden Aktivisten zu malen, ließ ihre Hände fahrig werden. Sie hatte bisher nur Abtön-Wandfarben-Tuben vermalt, die schön geschmeidig und farbrein, aber eben doch nur minderwertiges Handwerker-Material waren. Ein Mal begab sich Violetta zögernd ins Gemeinschafts-Atelier zum Malen. Ein blau-rotes Frauenportrait entstand, nicht so übel. Doch die Stimmung im Atelier überraschte sie. Nur wenige Plätze waren belegt, die anderen waren verhangen. Ängstlich versuchten die wenigen Anwesenden ihre Bilder vor neugierigen Blicken zu schützen. Nicht etwa aus mangelndem Selbstbewusstsein wie Violetta zunächst annahm, sondern aus Angst vor Ideenklau. Biederes Konkurrenzdenken erklärte die Atelierleere. Das war neu für Violetta. Ihre eigenen Bilder waren aufs Blatt katapultierte Fragmente ihrer Stimmungen. Gegenständlich, aber nicht realistisch. Von ihrer Einzigartigkeit überzeugt, hatte Violetta bisher angenommen, ihre Bilder seien nicht kopierfähig. Allerdings ihr rot-blaues Portrait wäre doch leicht zu imitieren. Sie wusste zwar nicht, welche geniale Idee dahinter stand, aber dennoch, diese musste schon mal vorsorglich geschützt werden. Welch Erleichterung. Nicht feige Angst vor dem Urteil ihrer Kommilitonen sondern Angst vor Ideen-Klau vertrieb sie aus dem Atelier. Ihre Abwesenheit war also zweckmäßig begründet und basierte nicht auf irrationalen, persönlichen Ängsten.

Kapitel 3 Liebeszauber

    ... ... ...

INTERESSIERT WEITER ZU LESEN ?  -  KONTAKT:  mail@artshange.fr

 

Deutsch

Français

English

GEDICHTE

POÈMES

POEMS

ESSAYS

ESSAIS

ESSAYS

KURZGESCHICHTEN

NOUVELLES

SHORT STORIES

 

Startseite